Neue Hamburger Bildungsleitlinien: Die Perspektive des Kindes im Fokus
- Ronja

- 30. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Am vergangenen Samstag, den 28. September 2024, hatte ich die besondere Gelegenheit, an der Hamburger Fachtagung „Perspektive Kind“ teilzunehmen, die von der Sozialbehörde organisiert wurde. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden die neuen Hamburger Bildungsleitlinien vorgestellt, die eine spannende Neuausrichtung für die pädagogische Arbeit in Kitas beinhalten. Im Zentrum dieser Leitlinien steht eine wichtige und längst überfällige Verschiebung des Fokus: Die Perspektive der Kinder wird nun konsequent zum Ausgangspunkt der gesamten pädagogischen Arbeit.
Diese Veränderung geht auf die Arbeit von Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann zurück, die den Ansatz federführend entwickelt hat. Prof. Dr. Nentwig-Gesemann war nicht nur anwesend, sondern hielt auch einen einstündigen Vortrag zu den neuen Leitlinien, der für mich wie im Flug verging. Es war nicht nur erhellend, ihr zuzuhören, sondern auch mitunter sehr unterhaltsam und berührend.
Eine Stunde voller Aha-Momente
Prof. Dr. Nentwig-Gesemann brachte in ihrem Vortrag zahlreiche Beispiele, die verdeutlichten, wie wichtig es ist, Kinder als eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen, die aktiv an ihrer eigenen Bildung mitwirken. Besonders eindrucksvoll waren die Zitate, die sie von Kindern einbrachte. Diese berichteten mit einer erfrischenden Ehrlichkeit von ihren „dummen“ Erzieher*innen, die alles bestimmen, keine Freiräume lassen und Regeln aufstellen, die aus Kindersicht keinen Sinn ergeben. Solche Einblicke zeigten eindrücklich, wie notwendig es ist, alte Machtstrukturen zu überdenken und mehr auf die Bedürfnisse und Perspektiven der Kinder einzugehen.
Gleichzeitig gab es aber auch ermutigende Beispiele, die das Potenzial eines wertschätzenden und respektvollen Miteinanders zwischen Kindern und Erzieher*innen aufzeigten. Hier wurde klar, dass Kinder durchaus in der Lage sind, sich auf Regeln und Strukturen einzulassen – solange sie den Sinn dahinter verstehen und in Entscheidungen einbezogen werden.
Meine Rolle auf der Fachtagung
Als Bildungsreferentin mit dem Schwerpunkt auf Veränderungsprozessen und nachhaltiger Entwicklung hat es mich besonders gefreut, dass genau diese beiden Themen mit als zentrale Leitmotive in die Hamburger Bildungsleitlinien aufgenommen wurden. Nachhaltigkeit ist für mich nicht nur ein abstrakter Begriff, sondern eine praxisnahe und ganzheitliche Herangehensweise, die auch in der frühkindlichen Bildung eine wichtige Rolle spielen muss.
Ich habe die Fachtagung aktiv genutzt, um mich mit anderen Fachleuten zu vernetzen und um mich über die Umsetzung dieser Leitlinien auszutauschen. Die neuen Leitlinien geben uns die Chance, nicht nur die Bildungsinhalte zu verändern, sondern auch die Art und Weise, wie wir mit den Kindern kommunizieren und sie in Entscheidungsprozesse einbeziehen.
Kommunikation und Problemlösung im Fokus
Als Mediatorin ist die Schulung von Problemlöse- und Kommunikationsfähigkeiten eines meiner zentralen Ziele – sowohl für Kinder als auch für die Fachkräfte, die mit ihnen arbeiten. Fachkräfte dabei zu unterstützen, Kinder in Konflikten zu begleiten und sie zu befähigen, eigene Lösungen zu entwickeln, stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein der Kinder, sondern fördert auch ein tiefes Verständnis von Empathie und Gemeinschaft. Die neuen Bildungsleitlinien bieten hier wertvolle Anknüpfungspunkte, um diese Fähigkeiten noch stärker in den Alltag von Kitas zu integrieren.
Nachhaltige Entwicklung und Mobilität aus der Perspektive der Kinder
Auch in meinen Schulungen zum Thema nachhaltige Entwicklung – insbesondere zur Mobilitätswende – ist mir der Schwerpunkt Kindermobilität ein besonderes Herzensanliegen. Es geht mir dabei um weit mehr als darum, Kinder sicher und sichtbar im Straßenverkehr auszustatten. Vielmehr setze ich mich dafür ein, dass wir die Perspektive der Kinder einnehmen, um sichere, kindgerechte Wege und Räume im städtischen Sozialraum zu gestalten.
Kinder sollten nicht nur „gesehen werden“, sondern sich selbstbestimmt und sicher in ihrer Umgebung bewegen können. Sie müssen die Möglichkeit haben, ihre Umgebung zu erkunden, Erfahrungen zu sammeln und ihre Mobilität eigenständig zu entwickeln. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, genau diesen Perspektivwechsel zu begleiten und gemeinsam mit Hamburger Kitas zu verwirklichen.
Träger und Fachkräfte: Mehr Ressourcen und bessere Arbeitsbedingungen
So vielversprechend die neuen Bildungsleitlinien sind, dürfen wir nicht vergessen, dass ihre erfolgreiche Umsetzung auch von den Rahmenbedingungen abhängt. Für Träger und Fachkräfte bedeutet die Neuausrichtung auf die Perspektive der Kinder zusätzlichen Aufwand – sowohl zeitlich als auch organisatorisch. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, benötigen die Träger dringend mehr finanzielle Ressourcen.
Es ist kein Geheimnis, dass die Fachkräfte in Kitas bereits jetzt überlastet sind. Der Personalschlüssel ist vielerorts zu gering, und der hohe Krankenstand verschärft die Situation zusätzlich. Das führt dazu, dass Erzieher*innen oft kaum in der Lage sind, den hohen Anforderungen gerecht zu werden.
Wenn wir die Bildungsleitlinien ernst nehmen und wirklich umsetzen wollen, müssen wir zunächst dafür sorgen, dass Fachkräfte fair und angemessen entlohnt werden. Sie leisten täglich eine unglaublich wertvolle Arbeit – doch diese wird häufig weder finanziell noch gesellschaftlich ausreichend anerkannt. Die Überlastung des Personals lässt sich nur durch eine bessere Ausstattung der Kitas und einen verbesserten Betreuungsschlüssel reduzieren. Denn nur, wenn die Fachkräfte die notwendige Unterstützung und Zeit bekommen, können sie sich voll und ganz auf die Kinder und deren Bedürfnisse konzentrieren.
Ich hoffe also, dass die von Melanie Schlotzhauer (Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration) versprochenen Verbesserungen für Kitas und ihre Fachkräfte schnellstmöglich umgesetzt und weiter ausgebaut werden.
Fazit: Ein Paradigmenwechsel in der frühkindlichen Bildung
Für mich persönlich war diese Fachtagung ein wertvoller Impuls, der nicht nur neue Perspektiven eröffnet hat, sondern mich auch ermutigt, in meiner eigenen Arbeit immer wieder die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Die Leitlinien sind ein Schritt in die Zukunft, in der die Bedürfnisse, Interessen und Perspektiven der Kinder das Fundament unserer Arbeit bilden.
Die Hamburger Fachtagung „Perspektive Kind“ hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig es ist, frühkindliche Bildung neu zu denken und den Blickwinkel der Kinder stärker in den Fokus zu rücken. Die neuen Bildungsleitlinien setzen genau hier an und bieten wertvolle Ansätze, wie dies in der täglichen Arbeit in den Kitas umgesetzt werden kann.
Als Bildungsreferentin, Mediatorin und Verfechterin nachhaltiger Entwicklung freue ich mich darauf, diesen Prozess aktiv zu begleiten. Der Vortrag von Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann war inspirierend und zeigte, dass diese Neuausrichtung nicht nur notwendig, sondern auch praktikabel ist. Besonders die Perspektive der Kinder in Themen wie der Mobilität ernst zu nehmen, eröffnet neue Chancen, die Lebenswelt der Jüngsten nachhaltiger und kindgerechter zu gestalten.
Ich hoffe auf eine schnelle Umsetzung der versprochenen Verbesserungen für die Kitas durch Fr. Schlotzhauer und freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Hamburger Kitas, um diesen Perspektivwechsel gemeinsam zu verwirklichen.






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